Attilio Bertolucci: In unsicherer Zeit

Eva Riebler

Attilio Bertolucci:
In unsicherer Zeit

Ausgewählte Gedichte. Aus d- Ital. Hans Raimund
Ed. Pen/ Löcker Verlag, Wien 2022, 102 S.
ISBN 978-3-99 098-140-5

Momentaufnahmen aus dem italienischen Alltag, dem Durchstreifen der Natur und dem steten Beobachten als Voraussetzung fürs Poetische. Die Sprache Bertoluccis gibt mehr her, als es scheint. Sie verbirgt auch mehr und poetisiert, wo unglaublich einfache Dinge berührt/erzählt werden. Bertolucci, könnte man meinen, bearbeitet anspruchslose Themen, verinnerlicht sie und hebt sie durch die eigenen Augen gesehen wieder ins rechte Licht der Sprache und des Ausdrucks.
Er lebte im Apennin und kann so mit echter Innerlichkeit die Landschaft und deren Bewohner heraufbeschwören. Seine Sprachkunst steht für den –so der Übersetzer Hans Raimund im Nachwort- „lyrischen Impressionismus“, „der Fragmente seiner Umwelt, seiner Seelenzustände fixiert: eine Poesie des Unspektakulären, durchdrungen von Assoziationen, Augenblicksempfindungen, von Erleben, Leben und Erinnern …“
Dank der Beharrlichkeit Raimunds (bereits 1992 wurde in der Presse ein von ihm übersetztes  Gedicht Bertoluccis abgedruckt) und der liebevollen Übersetzung 2012/22  stehen uns die Gedichte des in Italien hochgeschätzten Dichters zur Verfügung.
Was Bertolucci und die frühen Gedichtbände Raimunds eint, ist die Privatheit der Gedichte, das Konzept der „radikalen Poesie der Privatheit.“ Allen literarischen Strömungen  zum Trotz wird die Familie, die Herkunft, die Landschaft subtil und kunstfertig wiedergegeben. Raimund studierte Musik, Germanistik und Anglistik, lehrte u.a. am UWC of the Adriatic und war freier Schriftsteller und Übersetzer in Duino/Triest und bekam zahlreiche Preise (W.H.Auden-Übersetzerpreis, Georg-Trakl-Preis, Anton-Wildgans-Preis, Würdigungspreis des Landes NÖ., der T.-Kery-Stiftung, Literaturpreis der Stadt Wien 2020 usw.
Attilio Bertolucci ist als Dichter ebenfalls mit vielen Preisen ausgezeichnet worden, stammte aus Parma, studierte und unterrichtete Kunstgeschichte in Parma und Rom und starb 2000 in Rom. Er  war allerdings nicht so berühmt wie seine beiden Söhne, die Filmregisseure Bernardo und Giuseppe.

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