5. Bürgertheaterproduktion: Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten. Rez. Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler
Über die Vielfalt der Wortlosigkeit!
Szenen, die keiner Worte bedürfen.

Sa, 12. Mai 19.30 Uhr
Premiere der 5. Bürgertheaterproduktion
DIE STUNDE, DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN
von Peter Handke

Inszenierung und Leitung Nehle Dick mit über 55 Bürgerinnen und Bürgern aus St. Pölten und der Region, sowie in Zusammenarbeit mit dem Gehörlosenverband NÖ, der sein 60-jähriges bestehen feiert.

Spielort: Voith Halle Linzer Straße 55, 3100 St. Pölten

Unter Nehle Dick gelangt die 2. Produktion der Bürger und Bürgerinnen St. Pöltens auf die Bühne. Diesmal nicht im Zirkuszelt, sondern auf der Drehscheibe in der Voith Halle. Diesmal werden nicht die Geschichten dieser Stadt erzählt und trotzdem sind es Geschichten/Begegnungen, die hier z.B. am Rathaus-, Domplatz oder Herrenplatz angesiedelt sein können. Jemand läuft quer über den Platz: Es ist ein Jogger oder ein Kirchgänger, ein zünftiger Liebhaber (Milan Eror), ein Landvermesser, eine strenge Klosterschwester oder eine fast Nackte oder die Schönheit in Rot gekleidet. Es sind einfache Szenen, wie. Es tauschen drei Paare ihre Kleider oder es wird gewandert oder gefeiert. Wie so nebenbei und stets alltäglich steht eine Küchenchefin (Doris Figl) mit Radieschen oder Fisch in der Hand vor ihrem Lokal und raucht, beobachtet und grüßt wortlos die Passanten, der Jüngste, Paul Scheiblauer, fährt mit dem Skateboard vorbei oder ein fescher Flugkapitän (Reinhard Spindler) lässt sich von seinen Stewardessen anhimmeln und wird vom Pierrot (Jakob Enk) nachgeäfft. Touristen stellen sich für ein Selfie zusammen usw. Szenen des städtischen Lebens!

Die Wortlosigkeit ist kein Handycap des 1 ½ stündigen Stückes!

Die BürgerInnen sind dermaßen präsent und ausdrucksstark, dass keine Sekunde Langeweile sich einschleicht. Sie beobachten sich gegenseitig, treten in wortlose Interaktion und verbreiten meist ein Gefühl des Glücks oder der Zufriedenheit.

Es ist nicht nur spannend, wenn man auf - bereits von vorigen Produktionen – Bekannte (wann zeigt sich endlich das Ehepaar Pohl, Frau Figl oder Frau Dunky …) wartet; es ist jede Mimik – sei es auch die der Gleichgültigkeit oder des ganz normalen Alltags – beeindruckend und beredt.

Großartiges leistete der Ton (Felix Dietlinger) sowie die Kostümbildnerin Irene Schiller mit individuellen, bezeichnenden und reich bestückten Garnituren, wohl 300 - 400 an der Zahl!

Gabrielle Erd und Karin Schweinzer haben wie seit Jahren die aufwändige Organisation und Regieassistenz auf sich genommen und vortrefflich bewältigt. Neu ist diesmal Daniela Mühlbauer, die als Bewegungscoachin unterstützend bei der stets differierenden Körperarbeit wirkte.

Wortlos beredt! Beeindruckend! Ein Genuss für den Schauenden und Sehenden!

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