Ingrid Reichel
Hot an cold!
Alex Katz
Werke aus der Sammlung Essl
Pressekonferenz: 14.09.2012, 10 Uhr
Galerieräume, Essl Museum, Klosterneuburg
Ausstellungsdauer: 15.09. bis 06.01.2012
Kurator: Karlheinz Essl
Zur Ausstellung erschien ein zweisprachiger Katalog (Deutsch-Englisch):
Alex Katz
Hg. Essl Museum
Ins Englische: Dagmar Archan, Edith Drack
Klosterneuburg: Edition Sammlung Essl, 2012. 110 S.
ISBN 978-3-902001-68-9
Museumsshop: € 23.-
Mit dieser Schau wird der 85. Geburtstag von Alex Katz gefeiert. Als Agnes und Karlheinz Essl Ende der 1990er den 1927 in Brooklyn/ New York geborenen Künstler kennenlernten, hatten sie bereits erste Gemälde angekauft. Nun sind es 30 großformatige Gemälde aus einer Schaffenszeit von 30-35 Jahren, die das Sammlerpaar zählen darf und einen guten Querschnitt seiner Themen liefern.
Essl hat wie auch schon bei Anselm Kiefer im Frühjahr 2012 die Ausstellung selbst kuratiert. Er ging dabei nicht chronologisch vor, sondern entschied sich, die Werke Raum für Raum wie in einer Gallerie zu präsentieren. Diese Hängung soll bei den Betrachtern ein inspiratives Gefühl für Katz' Œuvre auslösen.
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Alex Katz: Black Brook 8
1990, Öl auf Leinwand 213 x 645 cm
© VBK, Wien, 2012
Fotonachweis: Courtesy Jablonka Galerie, Köln |
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Katz' Themen sind Portraits, Society, Tiere und Natur. Sie entspringen immer aus der unmittelbaren Umgebung des Künstlers. Seine Auswahl basiert auf einer langen Vorarbeit seines Unterbewusstseins, bis das Thema, bzw. Motiv eines Tages an Aktualität gewonnen hat: "Beim Malen ist das Wissen meist unbewusst und das Entscheidende ist, das Unbewusste zu nutzen, um den Spielraum festzulegen. Das ist die Idee, die ich mehr oder weniger verfolge. Du kannst es Instinkt nennen. Das ist es." (Zitat: Alex Katz)
Gerade als Katz sein Studium an der Cooper Union School of Arts in New York abschloss (1949) bekam der amerikanische abstrakte Expressionismus u.a. durch Jackson Pollock internationale Anerkennung. Doch Katz wollte nie mit seinen Werken im Trend der Kunstszene sein. Er wollte eine neue Richtung einschlagen, die instabil und bedrohlich ist (S. 72). Natürlich sucht man vergeblich nach Bedrohlichkeiten im Gesamtwerk des freundlichen Amerikaners. Doch instabil und daher irritierend ist es in der Tat. Der 1964 geborene britische Konzeptkünstler Liam Gillick erklärt dies gekonnt nachvollziehbar in seinem Essay "Gestrandet" (Beached: London, Juli 1999), welchen er für eine Katz Ausstellung in Salzburg (1999) schrieb: "Wir stehen immer einer Serie von Bildern gegenüber, die einerseits Momentaufnahmen und andererseits doch losgelöst von einem bestimmten Moment sind." (Zitat Gillick: S. 72) Bei Katz geht es um Präsenz, Zurschaustellung und Präzision. Dennoch sind seine Werke keine fotografischen Darstellungen, vielmehr benennt sie Gillick als detailgenaue Simulation (Gillick: S.71).
Die Simulation in Bezug zur erwähnten Präzision bedarf jedoch genauerer Betrachtung. Hier müssen wir zwischen dem grafischen und dem malerischen Schaffen des Künstlers unterscheiden. Katz, der in seinem grafischen Werk die Präzision als Meisterschaft betreibt, lässt sich in seiner Ölmalerei auf Illusion, bzw. auf eine trickreiche Maltechnik ein, die fortwährend das Ziel hat, das Auge des Betrachters zu betrügen. Bei genauerem Augenschein können wir in Details eine eher grobe Pinselführung entdecken, eine für Katz nahezu ungewohnt schlampige Ausführung beobachten. Dies wäre an vielen Beispielen zu erläutern. Hier nur eines zur Veranschaulichung: "Beach Stop" (Öl auf Leinwand 243,8 cm x 487,7 cm. 2001), Katalog Seite 16-17.
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Alex Katz: Beach Stop
2001, Öl auf Leinwand 244 x 488 cm
© VBK, Wien, 2012
Fotonachweis: Mischa Nawrata, Wien |
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Auf diesem Society-Bild sehen wir Menschen unter dunklen Sonnenschirmen, an weißen Tischen auf weißen Gartenstühlen sitzend. Die Szene spielt sich auf einer grünen Wiese, die wie eine Terrasse angelegt ist, vor einem kräftigen blauen Meer und einem helleren blauen Himmelshorizont ab. Sonnenschirme, Tische und Sesseln haben präzise Linien und Kanten. Auffällig sind nun die inexakt ausgeführten Freistellen zwischen den Stäben der Rückenlehne sowie die teils fehlenden Sessel- und Tischbeine. Leicht übersehbar, daher psychologisch um so irritierender, ist der fehlende Verlauf der weißen Stange des rechten Sonnenschirms in zweiter Ebene unterhalb des Kopfes der in Rückenansicht sitzenden weiblichen Person auf erster Ebene. Ebenfalls stimmt der Verlauf des in hell- und dunkelgrün aufgeteilten Rasens nicht. So stimmen die Schattierungsflächen sowohl im Bereich des zentral angelegten Tisches als auch im rechten Tisch nicht mit der Kontinuität der Bodenflächenstruktur überein. Weiters bildet sich bei der links sitzenden, männlichen Figur am rechten Tisch von der Achselhöhle abwärts über die untere Seite des rechten Oberarms entlang zur Tischkante bis zum rechten Oberschenkel der Länge des Oberkörpers hinauf eine kleine Fläche, die anstatt der vorzufindenden fast schwarzen Farbe, nach dem Hintergrund zu urteilen, in horizontaler Reihenfolge von oben nach unten das Blau des Meeres, das Dunkelgrün und Hellgrün des Rasens beinhalten sollte. Man kann nur vermuten, dass Katz, der als Meister der Sorgfalt gilt, hier absichtlich mit Fehlern operiert, um dem Bild die ausgestrahlte Langweile zu nehmen. Bei oberflächlicher Betrachtung bleiben die behutsam gesetzten, malerischen Vergehen auch unentdeckt, sorgen dennoch erfolgreich für den psychologischen Effekt der Irritation.
In einer Zeit der abstrakten Kunst entschloss sich Katz für gegenständliche Bilder. Vor diesem konservativen Hintergrund, dem das Figurative anlastet, wirken die Werke jedoch einfach und radikal (Gillick: S. 73)
In dem aufschlussreichen Interview von Künstlerfreund David Salle äußert Alex Katz, dass es ein Maler ohne Gespür für das Dekorative in New York sehr schwer hat, obwohl es keine Grenzen des Erlaubten in der Kunst gibt (Katz: S. 25). Katz, der als zutiefst amerikanisch empfunden werden kann, ist nicht dazu bereit, die Wirklichkeit der neuen Welt gegen Bilder zu tauschen, die für die Ausbildung eines neuen Systems von Hierarchien die Grundlage für eine unscharfe Traumbildwelt sein könnte (Zitat Gillick: S. 73). In diesem Zusammenhang verwendet Salle einen uns fremden Begriff: Frontier landscape. Dagmar Archan und Edith Drack übersetzten diesen Begriff mit "Frontiermalerei", der nur im deutschsprachigem Text angeführte Querverweis - 9:00 am, oil on canvas, 244 x 305 cm, private collection, Chicago - stellt sich leider als nicht aufschlussreich heraus. Die Grundbedeutung des Wortes frontier (Grenze) hat für heutige Amerikaner eine geradezu magisch-nostalgisch-romantisierende Bedeutung, welche im Wesentlichen durch die verzerrte amerikanische Geschichtsschreibung und die verklärte Perspektive der US-Filmindustrie (Hollywood) zustande kam. Dennoch steht fest, Versuche, aus Katz' Motiven Aussagen über Klasse und gesellschaftliche Strukturen herauszulesen, scheitern. Katz' Werk ist vielmehr eine Manifestation von Kunst, die auf einem Wertegerüst aufbaut, in dem Idee und Werk gleichberechtigt sind (Zitat Gillick: S. 77).
Am Schluss seines Essay zieht Gillick einen Vergleich zu der wegen ihrer Portraits berühmt gewordenen US-Malerin Elizabeth Peyton (geb. 1965), in deren Werke immer jeder gut aussieht und zieht daraus folgendes erkenntnisreiche Rezept: "[…] Die Angst und die Ironie beiseiteschieben, nicht nach metaphorischen Werten suchen, sondern einfach das Beste aus dem Bild eines Freundes herausholen und in ein Kunstwerk verwandeln, das eng verknüpft ist mit der Weigerung, gewisse Kämpfe auszufechten." (Zitat Gillick: S.78). Essl Kuratorin Lisa Grünwald bemerkt in ihrem Essay "Bilder und Augenblicke", dass Katz' Portraits und Figuren eine zurückgezogene Mimik haben, die an die Meister der Renaissance erinnern.
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Alex Katz: Ena
2001, Öl auf Leinwand 122 x 269 cm
© VBK, Wien, 2012
Fotonachweis: Paul Takeuchi |
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In seinen Portraits fehlt bewusst das Narrative. Wir haben es mit Bildausschnitten großformatiger Köpfe zu tun, die an Leinwandkino erinnern und sich an die großflächigen Werbeplakate anlehnen. Dabei bleibt Katz relativ zweidimensional, modelliert wenig, alleine kleine Schattierungen heben ihn von der Oberflächenmalerei ab. Um Katz zu verstehen, dürfen wir auch sein Geburtsjahr nicht vergessen, als das Kino eine große Entwicklung machte, großformatige Werbeplakate, die einzige Art und Weise darboten, Marketing zu betreiben und das TV noch in den Kinderschuhen steckte! Doch auch wenn wir heute Geräte in der Hosentasche tragen, die in ihrer Kapazität die Technologie der Computer mit denen man in den 1960ern am Mond geflogen ist, übertrumpfen, so ist das für die Kunstszene kein Zeichen von Überalterung.
Mittlerweile gilt Katz für viele junge amerikanische Künstler als Vaterfigur einer unkonventionellen Kunstrichtung und spielt eine wesentliche Rolle am internationalen Kunstmarkt.
Doch Katz arbeitet, unbeeindruckt von seinem Erfolg, in seiner gewohnt traditionellen Manier weiter. Zunächst geht er wie einst die französischen Impressionisten, die Maler en plein air, ins Freie, also in die Natur und schafft dort Ölskizzen und Zeichnungen an. Von dort kehrt er ins Atelier zurück und fertigt von einer kleinformatigen Ölskizze auf Karton eine Großskizze auf Packpapier an (1:1 zur Leinwand). Ähnlich verhält es sich mit den Portraits und Societybildern. Seine Frau Ada, die ihn auch dieses mal nach Österreich begleitete, ist seine ewige Muse und steht ihm heute noch Modell. Ähnlich wie Michelangelo Buonarotti (1475-1564) für seine Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle arbeitete, überträgt Katz nun seine Entwürfe vom Packpapier auf die großformatige Leinwand. Grünwald beschreibt detailiert Katz' Maltechnik. Sechs Malschichten sind notwendig bevor Katz seine Nass-in-Nass-Technik anwendet. Katz durchlief einen Prozess von zehn Jahren voller Experimente, bis er das optimale Verhältnis der Bildoberfläche zum Malgrund fand. Hot and cold (heiß und kalt) nennt Katz diesen Malvorgang (Grünwald: S. 87). Wer noch mehr wissen will, kann sich am Ende der Ausstellung den gelungenen Dokumentarfilm "Five hours" (22:33 min) von Vivien Bittencourt und Vincent Katz anschauen und die Entstehung eines großformatigen Ölgemäldes verfolgen.
Eine durchwegs gelungene Ausstellung mit einem interessanten Katalog.
Dennoch müssen einige kritische Anmerkungen gemacht werden:
1. Leider fehlen im Katalog die Biografien aller Autoren:
Der 1952 in den USA geborene Neoexpressionist David Salle, Alex Katz' Künstlerfreund, der das Interview mit ihm für Interview Magazine Germany führte (Nr. 9/Sept. 2012), der 1964 geborene britische Konzeptkünstler Liam Gillick mit seinem Essay "Gestrandet" (Juli 1999) und Essl Kuratorin Lisa Grünwald mit "Bilder und Augenblicke".
Obwohl ausführlich im Pressetext vorhanden, lässt die Biografie von Alex Katz im Katalog zu wünschen, sie besteht nur aus Geburtsjahr und zweier Studiendaten und davon ist eine falsch: 1949-1949 Studium an der Cooper Union Art School, New York sollte wohl 1946-1949 heißen. Dafür wurde der Platz umso großzügiger für Referenzen bereitgestellt, Listen, die eine Auswahl von Auszeichnungen, Werkankäufe öffentlicher Sammlungen, Einzelausstellungen sowie Publikationen über Alex Katz nachweisen.
2. In diesem Katalog wird - bis auf wenige Ausnahmen im Vergleich zu anderen Künstlern - rein auf die Ölgemälde, die im Besitz der Sammlung Essl sind, nicht aber auf das Gesamtwerk eingegangen. Lediglich Lisa Grünwald weist in einem Satz kurz auf das grafische Schaffen hin (S. 89). Um Katz' Werk jedoch zu verstehen, ist es unumgänglich auf das grafische Œuvre des Künstlers einzugehen, gehören die vielen außergewöhnlichen und großformatigen Siebdrucke zu seinen wichtigsten Werken in seinem Schaffen.
Siehe Kritik zur Ausstellung in der Albertina: Alex Katz: Prints
Schade, dass in diesem Katalog nicht auf die Divergenz in den grafischen und malerischen Arbeiten eingegangen wurde. Aus diesem Grund kann dieser Katalog nur als ein persönlicher Nachweis der Sammlerleidenschaft des Ehepaares Essl gelten, nicht aber als Dokumentation zum Gesamtwerk des Künstlers Alex Katz.
3. In der Ausstellung selbst bleibt zumindest ein Bild in Erinnerung, welches als Acrylwerk gekennzeichnet ist, obwohl Alex Katz laut Katalog und anderen Publikationen ausschließlich mit Öl malt. Dieser Fehler sollte jedoch leicht zu beheben sein.